Richard Krauss
18. Juni 2024
Der Zweck heiligt die Mittel - Linnemann propagiert die rechtspopulistische Agenda der AfD
Eine Auslagerung von Asylverfahren aus Deutschland in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union wie Ruanda sehen Experten laut Medienberichten überwiegend skeptisch. Die deutliche Mehrheit der befragten Sachverständigen habe das Modell scharf kritisiert, berichten „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), WDR, NDR und ARD. Zuletzt hatte sich CDU-Generalsekretär Linnemann für die rasche Umsetzung der Drittstaaten-Lösung bei den Asylverfahren ausgesprochen.
Das Bundesinnenministerium befragte der SZ zufolge von Februar bis Mai 28 Expertinnen und Experten zu dem Auslangerungsmodell, dass etwa Italien mit Albanien anstrebt. Dabei sollen Asylbewerber für die Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU gebracht und dort in Lagern untergebracht werden. Unter den Befragten seien Juristen, Regierungsvertreter, Wissenschaftlerinnen und Hilfsorganisationen gewesen, heißt es.
 „Viele Sachverständige äußerten sich skeptisch bis kritisch zu den rechtlichen und tatsächlichen Umsetzungsmöglichkeiten“ des Auslagerungsmodells, zitierte die ARD aus dem Bericht. Der Grund für die Skepsis seien juristische Bedenken, aber vor allem Fragen von Kosten und Nutzen, berichtete die SZ. Die Zeitung sowie NDR und WDR haben nach SZ-Angaben 21 der Experten-Einschätzungen ausgewertet.
Ein Großteil der Fachleute sind sich demnach einig, dass Asylzentren im Ausland teuer und ineffizient seien, da nur sehr wenige Menschen über ein solches Vorhaben tatsächlich ins Ausland gebracht werden. Überdies hielten es viele Befragte für unwahrscheinlich, dass sich Staaten zur Aufnahme Asylsuchender aus Europa bereit erklärten, berichteten die Medien weiter.
Eine Mehrheit der 21 Migrationsexperten warne überdies vor schwerwiegenden ethischen, menschenrechtlichen und politischen Folgen solcher Pläne, hieß es. Auch hätten mehrere Sachverständige darauf hingewiesen, dass eine Abschreckung durch diese Modelle nicht erwiesen sei, berichtete die ARD unter Berufung auf das Dokument des Bundesinnenministeriums.
Zuletzt hatte sich CDU-Generalsekretär Linnemann für die rasche Umsetzung der Drittstaaten-Lösung bei den Asylverfahren ausgesprochen. „Jetzt kommen überwiegend die Falschen“, kritisierte Linnemann: „Die Drittstaaten-Regel ist die Lösung. Das sagen alle Experten.“ Auch die unionsgeführten Länder sowie die FDP verlangen eine Debatte über die Auslagerung von Asylverfahren. „Wir erwarten von Bundeskanzler Scholz klare Aussagen, wie Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten außerhalb der EU stattfinden können“, sagte der hessische Regierungschef und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Rhein (CDU), der „Augsburger Allgemeinen“. FDP-Fraktionschef Dürr hatte bereits im April gefordert, die Möglichkeit solcher Verfahren in Drittstaaten zu prüfen.
In Großbritannien hatte das Parlament Ende April einen umstrittenen Plan zur Abschiebung von Migranten nach Ruanda gebilligt. Er erlaubt die Abschiebung illegal eingereister Menschen nach Ruanda, ohne dass deren Herkunft oder ihr Asylantrag vorher geprüft wird. Die Asylanträge der Abgeschobenen sollen dann von der Regierung in Kigali geprüft werden. Sollten sie bewilligt werden, bekommen die Flüchtlinge ein Aufenthaltsrecht in dem ostafrikanischen Land und dürfen nicht nach Großbritannien zurückkehren. Das britische „Ruanda-Modell“ ist allerdings mit den EU-Regeln vorerst nicht vereinbar.
Die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU ist aus rechtlicher und ethischer Sicht höchst problematisch. Eine Mehrheit der 21 ausgewerteten Expertenmeinungen warnte vor gravierenden rechtlichen Problemen bei der Umsetzung eines solchen Modells, da es potenziell gegen das Recht auf Asyl (Art. 16a GG), die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Viele Experten warnten zudem vor möglichen Menschenrechtsverletzungen und ethischen Bedenken, da die Unterbringung von Asylsuchenden in Drittstaaten-Lagern gegen das Menschenwürdeprinzip (Art. 1 GG) verstoßen könnte. Mehrere Experten stellten außerdem die Wirksamkeit derartiger "Abschreckungsmaßnahmen" in Frage, deren abschreckende Wirkung sich bisher nicht belegen lässt. Insgesamt überwiegen aus Expertensicht die rechtlichen, ethischen und praktischen Bedenken gegenüber dem Modell der Drittstaaten-Auslagerung. Dies steht im Widerspruch zu den Äußerungen des CDU-Generalsekretärs Linnemann.
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